Die Stimme der Unendlichkeit by Hubert Horstmann

Die Stimme der Unendlichkeit by Hubert Horstmann

Autor:Hubert Horstmann
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2012-09-28T22:00:00+00:00


3

Helo wanderte unruhig auf und ab. Der schwere, süßliche Duft des mattenverhängten Zimmers kitzelte in seiner Nase und legte sich wie Sirup über jeden Gedanken. Was konnte man nur tun, um Ainas Vorhaben zu vereiteln? Nichts, überhaupt nichts! Sie wollte Kzar sehen, mit den Bjaule sprechen, sich an Ort und Stelle davon überzeugen, daß die heiligen Dogmen längst vergessen waren, die Gebote nicht eingehalten wurden und die Erzählungen von den leidenschaftslos-zufriedenen Gläubigen auf Lügen beruhten. Helo verwünschte den Augenblick, da er die Oberpriesterin bewogen hatte, den Kurs zu ändern.

Was sollte nun werden? Mit Zweifeln beladen, mißtrauisch gegen alle, selbst gegen den alten Priester-Lehrer, würde sie nach Taiwepl zurückkehren, würde sie sich in einem Gewölbe des Palastkellers vergraben und dem Kechu verfallen. Durch seine Schuld. Er hatte ihre Traumwelt zerstört.

Der schwere, süßliche Geruch lähmte ihn. Er fand gerade noch die Kraft, den Sprechfunk einzuschalten und die »Pension« zu rufen. Bis jetzt sei alles gut gegangen, er werde voraussichtlich noch ein paar Tage unterwegs sein und fahre morgen in eine große Industriestadt, erklärte er.

Dann zog er sich aus. Eine bleierne Müdigkeit befiel ihn, als er sich im Nebenraum ins Bad, eine dampfende Mulde, legte. Das Wasser prickelte, die Müdigkeit wich. Er fühlte sich federleicht.

Jemand rief seinen Namen. Er sprang auf. Selbst in den Zimmern, die eben noch hell erleuchtet gewesen, war plötzlich Nacht. Nein, keine Nacht – aber bläulich fahle Dämmerung. Die Rufe wiederholten sich, kamen vom Fenster her. Ein Luftzug bauschte die Gardinen.

Helo zog sich hastig an. Er wollte den Teilchenwerfer umschnallen, konnte ihn aber nicht finden. Hatte er überhaupt einen Werfer bei sich gehabt? Er wußte es nicht.

Er lief zum Fenster. Ein großer, blauweißer Stern strahlte am Himmel. Von ihm ging das fahle Leuchten aus, das die Ebene, den Teich, die Mauern und Türmchen überflutete. Helo hatte diesen Stern nie gesehen.

Oder?

Er dachte nach. In der ewigen Nacht zwischen Start und Landung, wenn er einsam durch das All geflogen war: das blaue Licht der Wega! Die Stimme der Unendlichkeit… Sie war es, sie rief ihn wieder!

Noch im Zweifel, ob er wache oder träume, erblickte Helo den mächtigen, silbernen Leib der »Tolu«. Das Raumschiff lag kaum zweihundert Meter entfernt auf einer Wiese. Noch einmal überlegte er, ob das nicht alles ein dummer Spuk sein könne, dann sprang er kurz entschlossen aus dem Fenster. Er lief, die Augen auf den blauweißen Unbekannten gerichtet, verfing sich im Gras, stürzte, rannte weiter. Das Wispern vor den Bullaugen, die geheimnisvolle Stimme – jetzt endlich wußte er, woher sie kam. Von jenem Stern! Jetzt endlich hatte er ihn gefunden!

Die Steuerzentrale lag verwaist, aber die Kontrollampen brannten: rote und grüne magische Augen. Helo warf sich in einen Schaumgummisessel. Seine Hände flogen über Knöpfe und Schalter. Ein Zittern durchlief den Schiffskörper, er bäumte sich auf, erhob sich, senkte das Heck – und stürzte in die ewige Nacht.

Adieu Rho!

Schon sank der rote Planet zurück, war wenig später eine unbedeutende Kugel, wie es Tausende gab.

Helo lachte. Er hatte die Unendlichkeit gefunden. Sie stand vor ihm: blauweiß, scharf abgehoben, ein Saphir am Ende der Welt.



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